Warum junge Zahnärzt:innen keine eigene Praxis mehr wollen

Früher war die eigene Praxis das große Ziel. Heute? Will der Nachwuchs lieber angestellt bleiben. Was ist passiert – und was müssen etablierte Zahnärzt:innen jetzt verstehen, um nicht den Anschluss zu verlieren?

Die eigene Praxis galt lange als logischer nächster Schritt nach Assistenzzeit und Berufserfahrung. Doch diese Vorstellung verliert zunehmend an Relevanz. Immer mehr junge Zahnärzt:innen entscheiden sich bewusst gegen die Selbstständigkeit. Stattdessen bevorzugen sie die Festanstellung – sei es im MVZ, in größeren Praxen oder in Anstellung bei etablierten Kolleg:innen.

„Ich will einfach nur gute Zahnmedizin machen – der ganze Rest interessiert mich nicht.“
Dieser Satz spiegelt eine Entwicklung wider, die Praxisinhaber:innen nicht ignorieren sollten.

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Work-Life-Balance spielt natürlich eine wichtige Rolle

Selbstständigkeit als Risiko, nicht als Ziel

Das wachsende Desinteresse an der Selbstständigkeit hat viele Gründe. Hohe Investitionen bei Praxisübernahme oder -gründung, steigende Betriebskosten und unsichere Margen sorgen für ein finanzielles Risiko, das viele nicht bereit sind einzugehen. Schon in der Assistenzzeit erleben viele junge Zahnärzt:innen, wie herausfordernd die Führung eines Praxisteams geworden ist. Dazu kommt der ständig wachsende administrative Aufwand durch Abrechnung, Datenschutz, Hygienevorgaben, IT-Anforderungen und Arbeitsschutz. Zudem wirken überarbeitete Praxisinhaber:innen, gestresste Teams und unklare Strukturen auf viele abschreckend. Die Selbstständigkeit erscheint daher nicht mehr wie ein Karriereziel, sondern eher wie eine zusätzliche Belastung – mit unklarem Nutzen.

Was stattdessen attraktiv ist

Die Anstellung wirkt für viele deutlich attraktiver. Sie bietet geregelte Arbeitszeiten, die frei von wirtschaftlichem Risiko sind. Der Fokus liegt auf der fachlichen Weiterentwicklung, nicht auf unternehmerischen Entscheidungen oder Managementfragen. Zusätzliche Perspektiven entstehen durch Spezialisierung und gezielte Fortbildungen. Und in größeren, professionell geführten Praxen oder MVZs finden junge Behandler:innen häufig besser strukturierte Arbeitsabläufe, klare Zuständigkeiten und mehr Unterstützung im Alltag als in klassischen Einzelpraxen.

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Finde ich überhaupt einen Nachfolger für meine Praxis?

Was bedeutet das für Praxisinhaber:innen?

Die Dentalbranche steht vor einem spürbaren Generationenwechsel, der ein Umdenken erfordert. Viele Praxen finden keine Übernehmer:innen mehr, weil das klassische Modell einer Einzelpraxis nicht mehr zur Lebensrealität junger Zahnärzt:innen passt. Wer qualifizierte Fachkräfte langfristig binden möchte, muss heute mehr bieten als nur den Stuhl in der Chefetage.

Gefragt sind also echte Entwicklungsperspektiven in Form von Anstellungsmodellen mit Aufstiegsmöglichkeiten, Beteiligungsoptionen ohne Komplettübernahme sowie Arbeitsbedingungen, die auf moderne Lebenskonzepte abgestimmt sind. Wertschätzung, zeitgemäße Strukturen und die Möglichkeit, Prozesse aktiv mitzugestalten, sind zentrale Erwartungen. Anstatt auf klassische Nachfolge zu setzen, sollten Praxisinhaber:innen gezielt in Führungskompetenz, Teamentwicklung und nachhaltige Positionierung als Arbeitgeber im Dentalbereich investieren.

Neue Wege denken – jetzt

Die Idee, dass jede:r Zahnärzt:in irgendwann selbstständig sein möchte, entspricht nicht mehr der Realität. Viele Nachwuchskräfte wünschen sich vielmehr eine berufliche Teilhabe ohne volle Verantwortung, eine fachliche Spezialisierung ohne Unternehmerrisiko sowie Arbeitsmodelle, die Familie, Freizeit und Karriere miteinander vereinbaren.

Praxen, die diese Bedürfnisse erkennen und konsequent in ihre Strukturen und ihre Kultur integrieren, haben in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels einen klaren Vorteil im Wettbewerb um Talente. Selbstständigkeit ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr – sondern eine Option, die unter bestimmten Rahmenbedingungen attraktiv sein kann.

Wer als Inhaber:in mit der nächsten Generation auf Augenhöhe zusammenarbeiten möchte, sollte nicht nur auf Gehalt und Ausstattung setzen, sondern auch auf Perspektiven, Beteiligung und ein starkes Miteinander im Team.

Statt also die klassische Frage zu stellen: „Wann willst du übernehmen?“, ist es vielleicht zielführender zu fragen:

„Wie sieht dein idealer Arbeitsplatz aus?“